Blockade im EU-Parlament: Ursula von der Leyen muss weiter warten
Brüssel, 14. November 2024
Während sich Donald Trump in den USA auf seine Amtsübernahme vorbereitet, steckt die Europäische Union weiterhin in einem politischen Stillstand fest. Ursprünglich war der 1. November als Startdatum für die neue EU-Kommission unter Ursula von der Leyen vorgesehen. Doch nun, fast sechs Monate nach den Europawahlen, ist nicht einmal klar, ob es der 1. Dezember wird. Ein Machtkampf im Europäischen Parlament verhindert den Amtsantritt und droht, die EU handlungsunfähig zu machen.
Ein Streit zwischen Linken und Rechten lähmt Brüssel
Die Ursache der Verzögerung liegt in einem erbitterten Streit zwischen dem linken und dem rechten Lager im Europaparlament. Im Zentrum des Konflikts stehen der CSU-Politiker Manfred Weber, Vorsitzender der Europäischen Volkspartei (EVP), und Iratxe García Pérez, Fraktionschefin der Sozialdemokraten. Die spanische Politikerin wirft Weber vor, mit rechtsextremen Parteien zu kooperieren und damit europäische Werte zu gefährden. Weber hingegen beschuldigt García Pérez, den spanischen Kulturkampf ins Europaparlament zu tragen.
Diese Meinungsverschiedenheiten verdeutlichen die tiefe Spaltung in der europäischen Politik. Die sogenannte Von-der-Leyen-Mehrheit aus EVP, Sozialdemokraten und Liberalen ist durch den Rechtsruck bei den Wahlen im Juni geschwächt. Um die Wiederwahl von der Leyens zu sichern, hat Weber die Grünen in seine Koalition aufgenommen, möchte sich jedoch nicht dauerhaft an linke und grüne Mehrheiten binden. Stattdessen strebt er eine Zusammenarbeit mit den „Konservativen und Reformern“ an, einer Fraktion, der auch die italienische Regierungspartei Fratelli d’Italia angehört.
Konflikt um zentrale Personalentscheidungen
Die Anhörungen der 26 nominierten Kommissarinnen und Kommissare haben in den vergangenen Tagen stattgefunden. Zwar wird ihre fachliche Eignung weitgehend anerkannt, doch drei Personalien sorgen weiterhin für heftige Diskussionen. Die Sozialdemokraten verweigern dem Italiener Raffaele Fitto und dem Ungarn Olivér Várhelyi ihre Zustimmung. Sie argumentieren, dass Fitto als Mitglied einer postfaschistischen Partei nicht Vizepräsident der Kommission werden dürfe, und dass Várhelyi als Vertrauter des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán ungeeignet sei.
Im Gegenzug blockiert die EVP die Nominierung der spanischen Sozialistin Teresa Ribera, die ebenfalls als geschäftsführende Vizepräsidentin vorgesehen ist. Webers konservative Parteifreunde aus Spanien fordern, dass Ribera zunächst im spanischen Parlament Rede und Antwort zur Hochwasserkatastrophe in Valencia stehen muss. Zudem verlangen sie eine Rücktrittsgarantie, sollte sie in Spanien strafrechtlich belangt werden.
Wie lässt sich die Blockade überwinden?
Derzeit ist unklar, wie die verfahrene Situation im Europaparlament gelöst werden kann. Die Kandidatinnen und Kandidaten benötigen eine Zweidrittelmehrheit im zuständigen Ausschuss. Falls diese nicht erreicht wird, genügt eine einfache Mehrheit in einer geheimen Abstimmung im Plenum. Iratxe García Pérez hat Weber vorgeschlagen, Fitto und Várhelyi mit Unterstützung der Rechtsextremen ins Amt zu wählen. Doch Weber lehnt dies ab, um sich nicht als Verbündeter der extremen Rechten darzustellen. Stattdessen beharrt er auf einer Paketlösung, die im Einvernehmen mit den Sozialdemokraten und den Liberalen beschlossen wird.
Eine mögliche Blamage für die Europäische Union
Je länger die Blockade anhält, desto größer wird die Gefahr, dass die EU in einer Phase politischer Instabilität handlungsunfähig bleibt. Sollte die neue Kommission erst nach der Regierung von Donald Trump ins Amt kommen, wäre dies eine schwere Blamage für die Union. Die Staats- und Regierungschefs der EU drängen daher auf eine rasche Lösung, um bei ihrem Gipfeltreffen Ende Dezember bereits mit der neuen Kommission über die transatlantischen Beziehungen beraten zu können.
Bis dahin bleibt Ursula von der Leyen im Wartestand – und mit ihr die gesamte Europäische Union. Die Blockade zeigt einmal mehr, wie tief die politischen Gräben in Europa geworden sind. Es wird entscheidend sein, diese Differenzen zu überwinden, um eine handlungsfähige und geeinte EU zu gewährleisten.